Das Hamsterrad der Meditation

Wie du aufhörst, gegen deine eigenen Gedanken zu kämpfen

Letzte Woche schrieb mir Sarah eine E-Mail, die mich zum Schmunzeln brachte – und gleichzeitig nachdenklich stimmte. „Niels", schrieb sie, „ich meditiere jetzt seit drei Monaten täglich, aber meine Gedanken kreisen immer noch. Ich glaube, ich bin einfach schlecht in Meditation. Kannst Du mir eine bessere Technik empfehlen?"

Sarahs Frustration kenne ich gut. Nicht nur von euch, sondern auch aus meiner eigenen Erfahrung. Jahrelang saß ich da, Augen geschlossen, und führte einen erbitterten Krieg gegen meine eigenen Gedanken. Jedes Mal, wenn ein Gedanke auftauchte, sprang mein innerer Kritiker an: „Schon wieder! Du sollst doch meditieren, nicht denken!" Und schon befand ich mich wieder in einem Kreislauf der Rechtfertigung.

Was ich damals nicht erkannt habe: Ich hatte mich in einem perfekt getarnten Hamsterrad verfangen. Einem Hamsterrad, das sich Meditation nannte, aber eigentlich nur eine andere Form des Kampfes war.

Was du bekämpfst, wird stärker. Was du akzeptierst, verwandelt sich.

Eckhart Tolle

Lass uns ehrlich sein: Die meisten von uns kommen zur Meditation, weil wir endlich Ruhe im Kopf wollen. Wir sind es leid, dass unser Geist wie ein überdrehter Affe von Ast zu Ast springt. Wir wollen dieses ewige Gedankenkarussell stoppen, das uns nachts wachhält und tagsüber erschöpft. Das immer läuft und sich nie mit den Dingen beschäftigt, die wir gerade tun.

Also setzen wir uns hin, schließen die Augen und warten darauf, dass endlich Stille einkehrt. Und was passiert? Natürlich das Gegenteil. Plötzlich scheinen unsere Gedanken noch lauter zu werden, noch chaotischer, noch hartnäckiger.

„Das ist normal", sagen dann die Meditationslehrer. „Beobachte einfach Deine Gedanken, ohne sie zu bewerten. Und dann lass sie ziehen." Klingt einfach, oder? Ist es aber nicht. Denn was wir dabei übersehen, ist ein fundamentaler Denkfehler: Wir glauben, dass das Beobachten der Gedanken ein Mittel zum Zweck ist – nämlich zum Zweck, sie loszuwerden.

Und genau da beginnt sich das Hamsterrad zu drehen.

Der Kleinkrieg gegen Deine Gedanken

Was glaubst Du passiert, wenn Du Deine Gedanken nur beobachtest, um sie loszuwerden? Du führst einen subtilen Krieg gegen Dich selbst. Einen Krieg, der sich als friedliche Meditation tarnt, aber eigentlich pure Anstrengung ist.

Es ist, als würdest Du versuchen, einen wild gewordenen Hund zu beruhigen, indem Du ihn anstarrst und dabei innerlich denkst: „Werde endlich ruhig!" Der Hund spürt Deine Anspannung, Deine versteckte Aggression, Deinen Widerstand – und wird dadurch noch unruhiger.

Genauso ist es mit Deinen Gedanken. Sie spüren Deinen Widerstand. Sie merken, dass Du sie eigentlich nicht haben willst. Und was machen sie? Sie werden hartnäckiger. Lauter. Penetranter.

Ich erinnere mich an eine Meditation vor ein paar Jahren. Ich saß da und war so stolz auf mich, weil ich endlich gelernt hatte, meine Gedanken zu „beobachten". Doch nach zwanzig Minuten war ich erschöpfter als nach einem Sprint. Warum? Weil ich die ganze Zeit gegen meine eigene Natur angekämpft hatte.

Disclaimer: Meine oder unsere Natur ist es nicht, zu denken. Mitnichten. Es geht um etwas viel Fundamentalereres dabei. Es geht weniger um das, was wir tun, und vielmehr darum, wie wir es tun. Und in diesem Sinne kämpfen wir oft gegen uns selbst an, wenn wir etwas erreichen wollen, da wir gelernt haben, auf diese Art und Weise schneller zum Ziel zu kommen. Doch genau das wird uns hier zum Verhängnis – es geht gerade nicht darum, ein Ziel zu erreichen – oder zumindest nicht um die Einstellung, die diese Absicht mit sich bringen würde.

Und hier liegt das Paradox: Je mehr Du versuchst, Deine Gedanken zu kontrollieren, desto unkontrollierbarer werden sie. Je verzweifelter Du nach Stille suchst, desto lauter wird es in Deinem Kopf. Je mehr Du gegen das Gedankenkreisen ankämpfst, desto schneller dreht sich das Karussell.

Das ist nicht Dein Versagen. Das ist eine Art Gesetz.

Stell Dir vor, Du würdest versuchen, einzuschlafen, indem Du Dir immer wieder sagst: „Ich muss jetzt schlafen! Ich muss jetzt schlafen!" Was würde passieren? Richtig – Du würdest hellwach bleiben. Schlaf kommt nur, wenn Du aufhörst, ihn zu erzwingen.

Genauso ist es mit der Stille des Geistes. Sie kommt nur, wenn Du aufhörst, sie zu erzwingen.

Im Grunde reden wir hier vom Loslassen - das wir dadurch versuchen, dass wir immer härter zupacken.

Zu Beginn meiner eigenen Reise war ich genauso frustriert über die Unruhe in meinem Kopf. Doch eines Tages, plötzlich, kam mir ein absurder Gedanke: „Was wäre, wenn ich einfach aufhöre zu versuchen?"

Also hörte ich auf. Ich hörte auf, meine Gedanken zu beobachten. Ich hörte auf, sie zu bewerten. Ich hörte auf, irgendetwas zu wollen. Ich ließ einfach alles sein, wie es war.

Und weißt Du, was passierte? Nichts Spektakuläres. Die Gedanken waren immer noch da. Aber plötzlich störten sie mich nicht mehr. Es war, als hätte ich aufgehört, gegen den Strom zu schwimmen, und mich einfach treiben lassen.

Das Problem waren nie die Gedanken. Das Problem war mein Kampf gegen sie.

Gedanken sind wie Wolken am Himmel

Stell Dir vor, Du liegst auf einer Wiese und schaust in den Himmel. Über Dir ziehen Wolken vorbei – manche hell, manche dunkel, manche schnell, manche langsam. Würdest Du jemals auf die Idee kommen, gegen die Wolken zu kämpfen? Würdest Du versuchen, sie wegzupusten oder sie dazu zu bringen, schneller zu verschwinden?

Natürlich nicht. Du würdest sie einfach vorüberziehen lassen. Du würdest sie vielleicht beobachten, vielleicht sogar ihre Formen bewundern. Aber Du würdest nicht gegen sie ankämpfen.

Genauso kannst Du mit Deinen Gedanken umgehen. Sie sind wie Wolken am Himmel Deines Bewusstseins. Sie kommen und gehen, ganz von selbst. Du musst nichts tun, um sie zu vertreiben. Du musst sie nicht einmal beobachten, wenn Du keine Lust dazu hast.

Du kannst einfach der Himmel sein – weit, ruhig, unberührt von dem, was durch ihn hindurchzieht.

"Aber wenn ich nicht mehr gegen meine Gedanken ankämpfe, ist das dann überhaupt noch Meditation?"

Das habe ich mich damals auch gefragt. Die Antwort, die ich für mich gefunden habe: Es ist vielleicht der Kern dessen, was Meditation wirklich ist - unter all den Techniken und Methoden.

Wenn Meditation bedeutet, dass Du aufhörst zu kämpfen, aufhörst zu wollen, aufhörst zu versuchen - und stattdessen einfach alles sein lässt, wie es ist - dann ja, das ist Meditation in ihrer reinsten Form.

Das ist keine Passivität. Das ist pure Intelligenz. Erkennen, dass Du bereits das bist, was Du suchst. Du bist bereits der Himmel, in dem die Gedankenwolken vorüberziehen. Das warst Du schon immer.

Das Problem ist nur: Du hast Dich so sehr mit den Wolken identifiziert, dass Du vergessen hast, dass Du der Himmel bist.

Wenn Du aufhörst, gegen Deine Gedanken zu kämpfen, entdeckst Du eine andere Art von Ruhe. Es ist nicht die Ruhe der Abwesenheit von Gedanken. Es ist die Ruhe der Akzeptanz dessen, was ist.

Diese Ruhe ist viel stabiler und tiefer als die fragile Stille, die entsteht, wenn Du Deine Gedanken erfolgreich unterdrückst. Denn sie hängt nicht davon ab, was in Deinem Kopf passiert. Sie ist einfach da – als Deine wahre Natur.

Ich merke das besonders in stressigen Zeiten. Früher war ich verzweifelt, wenn mein Geist unruhig war. Heute ist es mir fast egal. Nicht weil ich abgestumpft wäre, sondern weil ich verstanden habe: Ich bin nicht meine Gedanken. Ich bin der Raum, in dem sie auftauchen. Diesen Raum wahrnehmbar zu machen, ist der Schlüssel zu einem Leben in der Ruhe – egal, wie stressig der Alltag auch sein mag.

Probieren wir das doch gleich einmal aus

Lass uns das mal ausprobieren. Nicht als Meditation, sondern als Experiment. Aus reiner Neugier.

Setz Dich hin, schließ die Augen, und warte darauf, dass Gedanken kommen.

Sie werden kommen – darauf kannst Du Dich verlassen. Wenn sie da sind, tu Folgendes: Nichts.

Beobachte sie nicht. Bewerte sie nicht. Versuche nicht, sie loszuwerden. Lass sie einfach da sein. Gib ihnen die Erlaubnis, so chaotisch, so laut, so nervig zu sein, wie sie wollen.

Ja, das fühlt sich anfangs seltsam an. Vielleicht sogar falsch. Du wirst den Impuls spüren, doch wieder einzugreifen, zu kontrollieren, zu kämpfen. Das ist normal. Lass auch diesen Impuls einfach da sein.

Was Du vielleicht bemerkst: Wenn Du aufhörst, gegen Deine Gedanken zu kämpfen, verlieren sie ihre Macht über Dich. Sie werden zu dem, was sie schon immer waren – vorüberziehende Erscheinungen in Deinem Bewusstsein. Nicht mehr, nicht weniger.

Du musst durch das Chaos hindurchgehen, um Dich selbst in der Rolle des Raumes erkennen zu können. Denn sonst bleibst Du in einer Beobachterrolle, die vom Raum getrennt existiert. Doch das bist noch immer nicht Du.

Weißt Du, was das Faszinierende an dieser Erkenntnis ist? Du entdeckst, dass Dein Geist von Natur aus intelligent ist. Wenn Du ihm nicht mehr im Weg stehst, findet er von selbst zur Ruhe.

Es ist wie mit einem aufgewühlten Wasserglas. Wenn Du es ständig umrührst, bleibt es trüb. Stellst Du es aber einfach hin und lässt es in Ruhe, setzt sich der Schmutz von selbst ab, und das Wasser wird klar.

Dein Geist funktioniert genauso. Er hat eine natürliche Tendenz zur Ruhe, zur Klarheit, zur Stille. Du musst diese Ruhe nicht herstellen. Du musst nur aufhören, sie zu verhindern.

Du kannst die Wellen nicht stoppen, aber du kannst lernen zu surfen.

Jon Kabat-Zinn

Das bedeutet, dass Du nicht mehr der Kämpfer sein musst, der gegen seine eigenen Gedanken kämpft. Du kannst der sein, der Du schon immer warst: der stille "Beobachter", der ruhige Himmel, das weite Bewusstsein.

„Aber", sagst Du vielleicht, „was ist, wenn meine Gedanken trotzdem nerven? Wenn sie sich um Probleme drehen, die real sind und gelöst werden müssen?"

Das ist eine wichtige Frage. Meine Antwort: Unterscheide zwischen konstruktivem Denken und zwanghaftem Gedankenkreisen.

Konstruktives Denken ist zielgerichtet. Du denkst über ein Problem nach, um eine Lösung zu finden. Wenn Du eine Lösung hast, hörst Du auf zu denken und gehst zur Handlung über.

Gedankenkreisen ist zwanghaft. Du denkst immer wieder über dasselbe nach, ohne zu einer Lösung zu kommen. Es ist, als würdest Du mit dem Auto im Schlamm stecken und immer weiter Gas geben, obwohl die Räder nur durchdrehen.

Der Unterschied ist: Konstruktives Denken kommt aus der Ruhe und kehrt zur Ruhe zurück. Gedankenkreisen entsteht aus der Unruhe und verstärkt sie.

Wenn Du merkst, dass Du im Gedankenkreisen gefangen bist, kannst Du Folgendes tun: Erkenne es, akzeptiere es, und lass es da sein. Kämpfe nicht dagegen an. Das würde nur mehr Kreisen erzeugen.

Das ist auch der Grund, warum ich genau das als Bonusmodul in meinen Onlinekurs eingebaut habe - die Möglichkeit des glasklaren Denkens aus dem Stadium der Ruhe heraus. Dieses Stadium erreichst Du beispielsweise schon durch einen bewussten Atemzug und ich beschreibe es auch in meinem ersten Newsletter - Die absolute Basis.

Das bewusste Denken aus einem bewussten Moment der Ruhe ist sehr viel machtvoller, zielgerichteter und wirksamer, als das Chaosdenken das wir gewohnt sind.

Wenn Du aufhörst, gegen Deine Gedanken zu kämpfen, verändert sich nicht nur Deine Meditation. Es verändert sich Dein ganzes Leben.

Plötzlich bist Du nicht mehr der Sklave Deiner Gedanken. Du bist der stille Zeuge, der beobachtet, wie sie kommen und gehen. Das gibt Dir eine unglaubliche Freiheit.

Du kannst in einem Meeting sitzen, und auch wenn Dein Geist wild um sich schlägt, bleibst Du innerlich ruhig. Du kannst nachts im Bett liegen, und auch wenn Deine Gedanken sich im Kreis drehen, findest Du dennoch Frieden, Ruhe und kannst einschlafen.

Das ist kein spirituelles Konzept. Das ist praktische Lebenshilfe. Es ist die Erkenntnis, dass Du mehr bist als Deine Gedanken. Viel mehr.

Der Weg aus dem Hamsterrad

Das Hamsterrad der Meditation zu verlassen ist einfacher, als Du denkst. Du musst nur aufhören zu rennen.

Du musst aufhören zu versuchen, ein guter Meditierender zu sein. Du musst aufhören zu kämpfen. Du musst aufhören zu wollen, dass etwas anders ist, als es ist.

Das ist nicht Aufgeben. Es ist das Erwachen zu der Erkenntnis, dass Du bereits das bist, was Du suchst.

Die Stille, die Du in der Meditation finden willst, ist bereits da. Sie ist der Hintergrund, vor dem alle Deine Gedanken auftauchen. Sie ist das, was Du wirklich bist.

Du musst sie nicht erschaffen. Du darfst sie nur wiedererkennen.

Wenn Du verstehst, dass Gedankenkreisen durch den Kampf dagegen entsteht, öffnet sich eine völlig neue Art zu leben. Eine Art zu leben, die nicht auf Widerstand basiert, sondern auf Akzeptanz. Nicht auf Kontrolle, sondern auf Vertrauen. Nicht auf Anstrengung, sondern auf Sein.

Das bedeutet nicht, dass Du passiv wirst oder Dir alles egal ist. Es bedeutet, dass Du aus einer anderen Quelle heraus handelst. Aus der Ruhe heraus statt aus der Unruhe. Aus der Klarheit heraus statt aus der Verwirrung.

Diese neue Art zu leben ist nicht nur friedlicher. Sie ist auch effektiver. Denn wenn Du nicht mehr Deine Energie im Kampf gegen Dich selbst verschwendest, steht sie Dir für die wirklich wichtigen Dinge zur Verfügung.

Das Leben wird leichter. Nicht weil die Umstände einfacher werden, sondern weil Du aufhörst, sie schwieriger zu machen, als sie sind.

Ich lade Dich ein, das Hamsterrad der Meditation zu verlassen. Nicht indem Du aufhörst zu meditieren, sondern indem Du aufhörst zu kämpfen.

Setz Dich hin, schließ die Augen, und lass alles sein, wie es ist. Lass Deine Gedanken kreisen, wenn sie kreisen wollen. Lass Deinen Geist unruhig sein, wenn er unruhig sein will. Lass alles da sein, ohne es ändern zu wollen.

Und dann bemerke, was schon immer da war: die Stille hinter dem Lärm, die Ruhe hinter der Unruhe, der Himmel hinter den Wolken.

Das ist nicht eine weitere Technik. Das ist das Ende aller Techniken. Das ist das Erwachen zu dem, was Du schon immer warst.

Das Geheimnis des Wandels liegt darin, deine ganze Energie darauf zu konzentrieren, Neues zu erschaffen, statt das Alte zu bekämpfen.

Sokrates

Peace.